In einer regnerischen Nacht wird der Straßenjunge Dodger Zeuge, wie ein junges Mädchen aus einer Kutsche fällt und versucht vor zwei Männern zu fliehen, die sie wieder einfangen wollen. Er kommt dem Mädchen zur Hilfe und kann die Männer in die Flucht schlagen. Als er zurückkehrt greifen ihn zwei Herren, Charlie Dickens und Henry Mayhew, auf. Auch sie wollen helfen und tragen das Mädchen in Henrys Haus. Dort untersucht ein Arzt sie und kann ihren Zustand stabilisieren. Für ihr ungeborenes Kind kommt jedoch jede Hilfe zu spät. Sie weist Spuren von schweren Misshandlungen auf. Der Journalist Dickens will herausfinden, wo sie herkommt und wer ihr das angetan hat. Er beauftragt Dodger sich umzuhören.
Für Dodger öffnet sich eine immer größer werdende Welt. Bisher bestand diese für ihn hauptsächlich aus der Kanalisation von London, in der er täglich nach Münzen und anderen verlorenen Gegenständen sucht. Doch auf den Straßen und in den Häusern der Reichen sieht er immer mehr ihm bisher unbekanntes. Herr Solomon, bei dem er wohnt, erzählt ihm zudem von der Vielzahl der Länder, durch die er hauptsächlich geflohen ist und von Planeten, die sich im Himmel bewegen.
Herr Solomon hat ein großes Interesse daran, dass Dodger etwas aus sich macht. Vor allem, wenn er das Mädchen besuchen geht, dass er gerettet hat, soll er und möchte er dabei gut aussehen. So muss sich Dodger für ihn ungewöhnlich gründlich waschen und sich einen gebrauchten Anzug zulegen. Später soll er sich sogar die Haare schneiden lassen. Er entscheidet sich dazu für Sweeney Todds Barbiersalon in der Fleet Street. Dies stellt sich anfangs als keine gute Wahl heraus. Doch schon bald ist Dodger bekannt als derjenige, der den teuflischen Barbier aus der Fleet Street zur Strecke gebracht hat. Eine Rolle mit der er sich so gar nicht anfreunden kann.
Das erste Ergebnis seiner Ermittlung ist, dass das Mädchen eine Nacht vor seiner Rettung durch Dodger schon einmal aus der Kutsche geflohen ist, aber an dem Abend von ihren Entführern wieder eingefangen werden konnte. Und dass ein Rad der Kutsche ungewöhnlich quietscht. Sie selbst hat Angst an ihren Ehemann ausgeliefert zu werden und gibt daher nur spärliche Informationen über sich preis. Doch Charlie kann mehr herausfinden. Bei dem Mädchen handelt es sich um die Ehefrau eines deutschen Prinzen, dessen Vater sie jetzt verschwinden lassen will. Alle anderen Zeugen der Vermählung hatten bereits unglückliche Unfälle. Die englische Regierung ist geneigt sie auszuliefern, um einen Krieg zu verhindern. Doch Dodger sieht nur einen anderen Ausweg: Sie muss sterben! Oder es muss zumindest so aussehen...
Dodgers Aufstieg in der Gesellschaft ist ein fantastisches Abenteuer, das jedoch keine Fantasy-Elemente enthält, sich aber trotzdem so anfühlt. Es handelt sich jedoch um einen typischen Terry Pratchett-Roman mit vielen humorvollen Sprachbildern, sympathischen und ungewöhnlichen Charakteren, die alle ein wenig eigen sind, und einem durchweg hohem Spannungsbogen. Dodger / Dunkle Halunken ist ein Buch, das einfach Spaß macht und dessen Geschichte auch gut in Ankh-Morpork hätte spielen können. Dort würden die neuen Charaktere jedoch wahrscheinlich hinter den bekannten zu stark in den Hintergrund rücken, wie dies in Unseen Academicals / Der Club der unsichtbaren Gelehrten geschehen ist.
Trotz der Dodger am Anfang übertragenden Ermittlungsaufgabe, entwickelt sich das Buch zu keinem Kriminalfall in dem der Held durch das Sammeln von Hinweisen seinen Weg findet. Dodger steht im Mittelpunkt und der Leser kann mit verfolgen, wie der clevere Überlebenskünstler innerhalb weniger Tage zum Helden heranreift. Die ganze Geschichte wird gewürzt mit einer Vielzahl real existierender historischer Persönlichkeiten und einigen heutzutage nicht mehr verwendeten Wörtern und Redewendungen, die teilweise sogar in Fußnoten erklärt werden. Dies gibt dem Roman seinen endgültigen Feinschliff.
Happy Families war der Arbeitstitel von Dodger / Dunkle Halunken und tatsächlich ist das Bild der glücklichen Familie ein wiederkehrendes Motiv im Roman. Jedoch ist es abgeschwächt und abgesehen von einigen Spekulationen darüber, warum manche Familien nicht glücklich sind, scheint sich der Schwerpunkt des Buches verschoben und mit ihm der Titel geändert zu haben. In Dodger / Dunkle Halunken zeigt uns Terry Pratchett ein London aus der Sicht der Armen und verrät im Nachwort, dass Einiges geschönt wurde. Er weißt den interessierten Leser auf reale Zeitzeugenberichte hin, wie beispielsweise die Aufzeichnungen von Henry Mayhew. Diese beschäftigen sich eingehender mit den schrecklichen Verhältnissen, unter denen im 19. Jahrhundert viele Menschen in der Stadt leben mussten. Aber auch die Menschen, die an diesen Verhältnissen etwas geändert haben, werden erwähnt. Es handelt sich diesmal also weniger um eine aktuelle Sozialkritik, wie es bei Büchern von Terry Pratchett häufig der Fall ist, sondern um eine Aufforderung, sich mit der Geschichte zu beschäftigen. Natürlich wie immer ganz unaufdringlich eingearbeitet, ohne sich in den Vordergrund zu drängen und den Spaß an der Handlung zu nehmen, mehr ein Fähnchen mit dem im Hintergrund der Szene gewunken wird.
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Dodger / Dunkle Halunken