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Cover Raising Steam englisch

Als Dick Simnel noch ein kleiner Junge war, verstarb sein Vater bei einer Explosion in seiner Schmiede. Seitdem hat er den Traum, den Dampf, der seinen Vater das Leben gekostet hat, zu beherrschen. Dank einer umfassenden Schulbildung, findet er heraus, was damals schiefgelaufen ist und will es besser machen. Als er seiner Mutter den Prototypen einer Lokomotive vorstellt, hat sie zwar keine Ahnung, was sie da sieht, aber sie weiß, dass der Moment gekommen ist, um Dick das Erbe seines Großvaters zu überreichen. Dieser war fest davon überzeugt, dass aus dem Jungen mal etwas Besonderes wird und er dafür Geld gebrauchen kann. Gewappnet mit einer Kiste Piratengold sammelt Dick einige junge Männer aus dem Dorf um sich und lässt sie für sich in einer immer größer werdenden Scheune arbeiten, bis eines Tages ein stählernes und dampfendes Ungetüm durch die Tore fährt und die Bevölkerung von Swine Town verschreckt. Jetzt ist die Zeit gekommen, um nach Ankh-Morpork zu reisen und die Welt zu verändern.

In Ankh-Morpork findet Dick im Unternehmer und Multimillionär Harry King einen Investor, der angetan ist von seiner Erfindung. Auf dem Gelände seines Abfallunternehmens lässt er den jungen Mann eine Teststrecke errichten. Dies erweckt nicht nur die Aufmerksamkeit der Bevölkerung, sondern auch die des Patriziers Lord Havelock Vetinari. Der Herrscher der Stadt ist sich noch nicht sicher, ob er das Unternehmen nicht lieber gleich im Keim ersticken soll. Vorerst übergibt er die Aufsicht jedoch an Feucht von Lipwig, der für ihn bereits erfolgreich die Post, die Bank und die Münzpresse der Stadt leitet und dessen Frau Adora Belle mit dem Klackernetzwerk das Kommunikationssystem der Scheibenwelt in den Händen hält. Kaum hat Feucht die Eisenbahn gesehen, kommen ihm viele Ideen, wie man damit Geld verdienen kann. Schon bald beginnt der Bau der ersten Gleisstrecke und es ist an Feucht, die einzelnen Landbesitzer zu überzeugen, dem Bau vor ihren Haustüren zuzustimmen.

Unterdessen macht sich Unruhe unter den Zwergen breit, die langsam auch auf den Rest der Welt überschwappt. Eine Splittergruppe von Grags, besonders hartgesottener Traditionalisten, verübt immer wieder Anschläge auf das Klackernetzwerk. Das Niederbrennen der Kommunikationstürme wirft ein schlechtes Licht auf alle Zwerge und lässt den Niederen König an einer guten Zukunft für sein Volk zweifeln. Mit dem Aufkommen der Eisenbahn haben die Grags ein neues Ziel für ihre Anschläge gefunden, bei denen es nun auch zu Toten kommt.

Raising Steam / Toller Dampf voraus erzählt die Geschichte der Entwicklung und Verbreitung der Eisenbahn. Diese zieht sich über einen langen Zeitraum hinweg. Es wird gezeigt, wie Personen sich für das Phänomen begeistern und immer mehr Industriezweige mit einbezogen werden. Im Zentrum der Geschichte stehen Feucht von Lipwig, Harry King und Dick Simnel. Für Dick ist seine Eisenbahn und deren Weiterentwicklung sein Leben. Für Harry King ist sie die Möglichkeit sein Ansehen in der Gesellschaft positiv aufzuwerten, worauf seine Frau besonderen Wert legt. Außerdem hält er die Eisenbahn mit ihrem Schmutz und Stahl für einen äußerst männlichen Zeitvertreib. Feucht von Lipwig sieht Unmengen an Möglichkeiten und genießt es, im Zentrum des Geschehens zu stehen, auch wenn das bedeutet, dass Leute versuchen ihn zu töten. Schnell zieht die Eisenbahn Einzug in den Alltag der Bevölkerung und viele Charaktere und Orte aus den bisherigen Discworld / Scheibenwelt-Romanen finden Erwähnung oder bekommen in diesem Zusammenhang einen kurzen Auftritt.

Überraschend in Raising Steam / Toller Dampf voraus ist das Verhalten von Lord Vetinari, der immer wieder abgelenkt scheint und über sich selbst als Prinz spricht, vermutlich erneut in Anlehnung an Machiavelli. Das lässt das in den letzten Jahrzehnten aufgebaute Bild von ihm, als jemanden, der in absolut jeder Situation die Kontrolle beherrschen kann, leicht bröckeln. Gegen Ende des Buches, ist er wieder einigermaßen der Alte. Dieser tiefere Einblick ist zwar mal etwas Neues, lässt ihn aber auch ungewohnt menschlich und fehlerhaft erscheinen.

Über weite Abschnitte des Romans ist es schwer eine wirkliche Hauptperson auszumachen. Nach und nach drängt sich dann Feucht von Lipwig in den Vordergrund. Dieser erhält Gelegenheit sich weiter zu entwickeln und mehr über sich selbst zu erfahren. Dies lässt ihn nicht nur in der Ansicht der Leser, sondern auch in der von anderen Charakteren steigen. Raising Steam / Toller Dampf voraus ist ein gutes Buch, das von Anfang an interessant und unterhaltsam ist und gegen Ende dann richtig spannend wird, wenn die Situation mit den Zwergen sich zuspitzt. Es wirkt jedoch so, als gehe es in erster Linie um die technische Entwicklung, was den langen Zeitrahmen des Romans und die vielen auftauchenden Charaktere erklärt. Auf dem Weg zur dampfbetriebenen Scheibenwelt, werden viele moralische Themen angerissen. Das Endergebnis, ist dank der vorausschauenden Steuerung von Leuten wie Lord Vetinari und dem Glück von Feucht von Lipwig, äußerst positiv. Es wird aber auch sichtbar, wo es hätte schief gehen können und wie dadurch Gruppen hätten ausgebeutet werden können. Es ist also wieder mal ein Buch von Terry Pratchett, das zum weiteren Nachdenken einlädt, es aber dem Leser selbst überlässt, ob er dies tun möchte.

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